Whistleblowing und SLAPPs stehen im Mittelpunkt des ersten Innsbrucker Journalismus-Festivals
Zwischen Vorträgen über weißrussische Schriftsteller, die im Exil arbeiten, Edward Snowdens Flucht aus Hongkong und die Situation von Journalistinnen in Afghanistan, war auch Blueprint for Free Speech am vergangenen Wochenende beim Innsbrucker Journalismus Festival mit dabei, der ersten Veranstaltung ihrer Art in der Tiroler Landeshauptstadt.
Mehr als 4.000 Menschen besuchten das Festival, das von großen Medienorganisationen aus Österreich und Deutschland unterstützt wurde, darunter der ORF und die Zeitung Der Standard sowie die deutsche Süddeutsche Zeitung, die Taz und Die Zeit.
Zu den Höhepunkten der Veranstaltung gehörte ein Gespräch mit den Enthüllungsjournalisten Frederik Obermaier und Bastian Obermayer von der Süddeutschen Zeitung, die mit der Veröffentlichung des Ibizagate-Videos für die folgenreichste Nachrichtenmeldung der jüngeren österreichischen Geschichte verantwortlich waren. Der Name von Julian Hessenthaler – dem offensichtlichen Urheber des Videos, der Anfang dieses Jahres von einem österreichischen Gericht wegen Drogendelikten verurteilt wurde – fiel während des Festivals entsprechend häufig.
Hessenthalers Fall war jedoch nicht der einzig nennenswerte. Während der Eröffnungsfeier des Festivals wies der Historiker und Journalist Michael Sontheimer, der im Auftrag des Spiegels mit WikiLeaks für viele ihrer wichtigsten Publikationen zusammengearbeitet hatte, auf die eklatante "Doppelmoral" hin, die der Verfolgung des WikiLeaks-Herausgebers Julian Assange zugrunde liegt.
Der kanadische Menschenrechtsanwalt Robert Tibbo, der Edward Snowden während seines Aufenthalts in Hongkong im Jahr 2013 Unterschlupf und andere Hilfe organisiert hatte, betonte die Notwendigkeit, dass der Schutz von Whistleblowern und die Aufmerksamkeit der Medien sich auch auf diejenigen erstrecken müssen, die Whistleblowern die notwendige Unterstützung geben. Es dauerte Jahre, bis mehrere der Flüchtlinge, die Snowden in Hongkong Schutz gewährten, in Kanada Asyl erhielten. Ajith Pushpakumara, der ursprünglich aus Sri Lanka stammt, ist dort nach wie vor gestrandet und kann nur begrenzt für seinen Lebensunterhalt sorgen.
Österreich selbst hat eine lückenhafte Bilanz beim Schutz von Whistleblowern. Fast sechs Monate nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie gibt es in Österreich immer noch keinen nationalen Rechtsschutz für Personen, die im öffentlichen Interesse Rechtsverstöße melden. Im Gegensatz zu Ländern wie Deutschland und Spanien – wo Fortschritte ebenfalls nur langsam erzielt werden – hat Österreich bisher noch keinen Gesetzesentwurf veröffentlicht.
Was hinter verschlossenen Türen geschieht, war eines der Themen, die am Freitag in einer Podiumsdiskussion mit Naomi Colvin von Blueprint und der renommierten österreichischen Medienanwältin Maria Windhager unter der Leitung ihres Kollegen Rainer Schüller, stellvertretender Chefredakteur von Der Standard, diskutiert wurden. Obwohl die Umsetzung der Richtlinie verpflichtend ist, haben die Mitgliedsstaaten immer noch wichtige Entscheidungen darüber zu treffen, wie weitreichend und wie stark die Bestimmungen des Gesetzes sein sollen.
Windhager deutete an, dass die interne Debatte innerhalb der österreichischen Regierungskoalition noch im Gange sei und mehrere Abteilungen an ihr beteiligt seien. Zu den Fragen, die diskutiert werden, gehört auch, ob der Geltungsbereich des Gesetzes auf Verstöße gegen nationales ausgeweitet werden soll – eine wichtige Änderung, die sowohl von der Europäischen Kommission als auch von der Zivilgesellschaft empfohlen wird, und in Gesetzesentwürfe in Frankreich, Spanien und Deutschland Eingang gefunden hat. In der derzeitigen Koalition aus ÖVP und Grünen sind die Grünen für eine Verschärfung des Gesetzes, während die ÖVP sich eher skeptisch zeigt.
Wie auch in anderen europäischen Ländern sind darüber hinaus sogenannte SLAPPs in Österreich ein wachsendes Problem. Untersuchungen der Coalition Against SLAPPs in Europe (CASE) zeigen, dass sich die Zahl der unbegründeten und missbräuchlichen Klagen, die darauf abzielen, die Beteiligung der Öffentlichkeit zu unterbinden, seit 2016 verfünffacht hat. Da die CASE-Zahlen keine SLAPPs erfassen, die nicht über das Stadium des Drohbriefs hinausgehen, ist das wahre Ausmaß des Problems noch größer.
Maria Windhager bestätigte, dass Der Standard immer mehr rechtliche Drohungen erhalte, die offenbar darauf abzielten, die Berichterstattung über kontroverse Themen zu unterbinden. Als große Zeitung sei der Standard in der Lage, sich von solchen Drohungen nicht einschüchtern zu lassen, aber die Lage sei ganz anders für jene, die keine institutionelle Unterstützung hätten. Der Presseclub Concordia hat einen Rechtsberatungsdienst für Journalisten eingerichtet, um die Auswirkungen dieser Situation zu mildern.
Die Bekämpfung von SLAPPs ist ein vielschichtiges Problem: Neben der Gesetzgebung, die die schlimmsten Missbräuche der nationalen Rechtssysteme unterbinden soll, benötigen Personen, die potentiell Ziele von SLAPPs werden, Zugang zu ausgewiesener Beratung, die es ihnen ermöglicht, ihre demokratischen Rechte, darunter das Recht auf freie Meinungsäußerung, wahrzunehmen. In einem ersten Schritt war sich das gesamte Gremium einig, dass die Aufhebung der Geheimhaltung von SLAPPs eine wesentliche Voraussetzung für die Bekämpfung ihrer abschreckenden Wirkung ist.