Blueprint veröffentlicht Modellgesetz zur Umsetzung der EU Whistleblowing-Richtlinie in Deutschland

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Wir sind sehr stolz, die Veröffentlichung unseres Modellgesetzes zum Schutz von Hinweisgebern in Deutschland und zur Umsetzung der EU-Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (Whistleblowing-Richtlinie), bekannt zu geben. Die Richtlinie war 2019 in Kraft getreten, und Mitgliedstaaten sind verpflichtet, ihre Bestimmungen bis Ende 2021 in nationales Recht umzusetzen.

Anfang des Jahres hatte das deutsche Justizministerium einen Entwurf für ein Umsetzungsgesetz vorgelegt, der jedoch aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Koalitionspartnern nicht in das Parlament eingebracht werden konnte. Es wird nun an der neuen Regierung liegen, die am 26. September gewählt wird, rechtzeitig ein nationales Umsetzungsgesetz zu verabschieden.

Unser heute veröffentlichter Entwurf deckt alle relevanten Bestimmungen ab, die in der EU-Whistleblowing-Richtlinie vorgesehen sind. Wo das Unionsrecht einschlägige internationale Standards nicht berücksichtigt, schließt unser Mustergesetz die Lücke. Im Einzelnen bedeutet dies Folgendes:

  • Sachlicher Anwendungsbereich: Aufgrund ihres Mandats kann die Europäische Union nur zu ausgewählten Themen eine rechtliche Orientierung geben. So beschränkt sich die Whistleblowing-Richtlinie auf den Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden. Whistleblower-Schutz kann aber nur dann wirksam sein, wenn er horizontal angelegt ist, um Gleichbehandlung und Rechtssicherheit für alle meldenden Personen zu gewährleisten. Unser Entwurf sieht daher den Schutz von Meldungen über Verstöße gegen alle öffentlichen Normen im deutschen Rechtsrahmen vor. Er trägt der Komplexität des Fehlverhaltens und der damit verbundenen Beweislage Rechnung und lässt sowohl Berichte über tatsächliches als auch über potenzielles Fehlverhalten zu.

  • Anonymität: Die EU-Richtlinie sieht zwar vor, dass personenbezogene Daten vertraulich zu behandeln sind und dass Personen, die anonym berichten, Anspruch auf gleiche Schutzmaßnahmen haben, falls ihre Identität aufgedeckt wird. Diese Bestimmungen bleiben jedoch weit hinter internationalen Standards zurück. Unser Musterentwurf enthält wichtige zusätzliche Regelungen: Er sieht eine Verpflichtung zur Einführung anonymer Meldewege sowie zur Nachverfolgung dieser vor. Gerade letzteres ist besonders wichtig – vor allem bei hohem persönlichem Risiko entscheiden sich Hinweisgeber oft für eine anonyme Meldung. Sie daran zu hindern oder anonyme Meldungen von der Untersuchung auszunehmen, kann dazu führen, dass wichtige Informationen verloren gehen und gefährliche Fälle von Fehlverhalten eskalieren.

  • Nationale Sicherheit: Unser Entwurf schützt Meldungen über Fehlverhalten im Bereich der nationalen Sicherheit, der vom Unionsrecht unberührt bleibt. Fehlverhalten kommt in allen Bereichen vor, und Whistleblower aus nationalen Sicherheitsdiensten, dem Militär und der Polizei verdienen den gleichen rechtlichen Schutz wie solche aus anderen Teilen der Gesellschaft. In Anerkennung der Tatsache, dass die Offenlegung von Informationen in diesen Sektoren eine besonders heikle Angelegenheit ist, orientieren sich die Bestimmungen in unserem Entwurf an den Global Principles on National Security and the Right to Information (Tshwane-Prinzipien). Dies gewährleistet eine ausgewogene Vertretung sowohl nationaler Interessen als auch der Rechte von Whistleblowern.

  • Bestimmungen zur rechtlichen Haftung von Whistleblowern: Die Beibehaltung der gesetzlichen Haftung in der Richtlinie, wenn die Beschaffung von Daten eine "eigenständige Straftat" darstellt, ist potenziell problematisch. Wenn sie nicht sorgfältig behandelt wird, könnte diese Bestimmung bedeuten, dass Whistleblower für bestimmte Akte bestraft werden, die notwendig sind, um ihre Meldung zu machen. Beispiele, in denen Whistleblower sich deswegen strafrechlicher Verfolgung ausgesetzt sehen, sind nicht schwer zu finden, allen voran das Verfahren gegen LuxLeaks-Whistleblower Antoine Deltour, dessen Fall dem Brüsseler Gesetzgeber als Vorbild diente. Unser Musterentwurf schafft Klarheit in dieser Angelegenheit und stellt sicher, dass Whistleblower nicht für angemessene Rechtsverletzungen, die für eine geschützte Offenlegung notwendig sind, belangt werden können.

  • Aufsicht und Unterstützung: In vielen Fällen benötigen Whistleblower zusätzliche Unterstützung, sei es in finanzieller oder psychologischer Hinsicht, um Meldungen in angemessener Weise machen zu können und Konsequenzen von Vergeltungsmaßnahmen zu überbrücken. Um sicherzustellen, dass ihre Anliegen verlässlich behandelt werden, empfehlen internationale Standards die Einführung einer dezidierten, zentralen Aufsicht sowie die Einrichtung von Finanzierungsmodellen für Prozesskosten oder Existenzminima. Unser Modellentwurf sieht daher konkrete Regelungen für die Einführung einer nationalen Aufsichtsbehörde sowie eines Whistleblower-Unterstützungsfonds vor.

Wir hoffen, dass unser Modellentwurf dem Gesetzgeber und anderen Akteuren, die sich für einen starken Whistleblowerschutz in Deutschland einsetzen, als Leitfaden und Inspiration dienen kann. Darüber hinaus kann er als Vorlage in anderen nationalen Kontexten verwendet werden; dafür stellen wir Volltextversionen auf Englisch und Deutsch zur Verfügung. Für Fragen und Kommentare zum Modellentwurf, wenden Sie sich bitte an media@blueprintforfreespeech.net.

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